Geschichte & Meilensteine

2023 feiert der Umweltdachverband seinen 50. Geburtstag. Bei der konstituierenden Sitzung am 27. März 1973 im Palais Auersperg, der auch die damalige erste österreichische Umweltministerin Ingrid Leodolter beiwohnte, wurde die „Österreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz“ (ÖGNU) gegründet, um den aufkeimenden Ökologiegedanken in unserem Land zu beflügeln. Von Anfang an mit dabei waren die Naturfreunde, der Alpenverein, der Touristenklub, der Naturschutzbund, der Verband Österreichischer Höhlenforschung und die Bergwacht. Mittlerweile ist der Umweltdachverband auf 35 Mitgliedsorganisationen gewachsen.

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Die 1970er: Sensibilität für Umweltthemen wächst
Erstes Umweltministerium, ÖGNU als „öffentliches Gewissen“
Von Abfallwirtschaftspolitik zum Berggesetz: Verankerung von Ökologiethemen in der Öffentlichkeit
Einsatz für Schutzgebiete von Anfang an
Reichtum unserer Naturschätze erhalten
Volle Kraft für unser Wasser
Mitspracherecht & ethische Verantwortung
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Mutig in die Zukunft

Die 1970er: Sensibilität für Umweltthemen wächst

In den 1970er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Stimmen für mehr Sensibilität gegenüber Umweltanliegen weltweit zunehmend lauter. 1970 wurde erstmals der „Tag der Erde“ abgehalten und das „Europäische Naturschutzjahr“ ausgerufen. 1972 veranstaltete die UNO einen ersten Umweltgipfel in Stockholm. 1973 wurde das erste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet, welches die Leitlinien zur Entwicklung einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik festschrieb.

In Österreich war die Umweltgeschichte in diesem Jahrzehnt von Ereignissen wie dem Ölpreisschock 1973/74 geprägt. In Folge dessen Folge wurden die Grenzen des ökonomischen Wachstums hinterfragt und vermehrt Fragen des Umweltschutzes thematisiert. Einschneidende Ereignisse waren außerdem die Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf 1978 und die Besetzung der Hainburger Au 1984/85.

Erstes Umweltministerium, ÖGNU als „öffentliches Gewissen“

Darüber hinaus wurde ein Jahr vor Gründung der ÖGNU in Österreich erstmals ein Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz eingerichtet – ein Meilenstein hinsichtlich der institutionellen Verankerung von Umweltanliegen in Österreich. Neben der Bündelung der verfügbaren Kräfte der Organisationen waren die Gründungsorganisationen der ÖGNU davon überzeugt, dass durch sachliche und gezielte Information der Öffentlichkeit und der Entscheidungsträger:innen der größte Beitrag zu einer zukunftsorientierten Umweltpolitik zu leisten wäre. Dieses „öffentliche Gewissen“, wie es auch der erste Präsident der ÖGNU, Herbert Moritz, in der Gründungsversammlung nannte, war und ist nach wie vor eine der wichtigsten Rollen des Umweltdachverbandes, der über die Jahre ein unverzichtbarer Teil einer kritischen, umweltbewussten Öffentlichkeit geworden ist. In den vergangenen Jahren hat sich der UWD zudem als praxisorientierter Dialogpartner für alle, die den Umwelt- und Naturschutz voranbringen, etabliert.

Von Abfallwirtschaftspolitik zum Berggesetz: Verankerung von Ökologiethemen in der Öffentlichkeit

In den 1970er-Jahren griff die ÖGNU v. a. die Themen Abfallwirtschaftspolitik, Deponietechnik und Müllvermeidung sowie Wasser- und Abwasserfragen auf.
Gemeinsam mit Gemeinden und Bürgerinitiativen gelang es in den 1990er-Jahren u. a. die Unzulänglichkeiten des Berggesetzes deutlich zu machen und die scheinbare Allmacht der Bergbehörden zu brechen. Seit damals sind im Mineralrohstoffgesetz (MinroG) sowohl Umwelt- als auch Bürger- und Anrainer:innenrechte verankert. Nachdem die Österreicher:innen bei der Volksbefragung 1978 ein klares Nein zu Zwentendorf gaben, trat der Umweltdachverband erfolgreich für ein neues österreichisches Atomhaftungsgesetz und ein Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich (1999) ein.

Einsatz für Schutzgebiete von Anfang an

Gerhard Heilingbrunner, von 1993-2014 nach Herbert Moritz (†2018), Herbert Salcher (†2021) und Alfred Stingl vierter Präsident des Umweltdachverbandes, war 1984 mitverantwortlich dafür, dass die Donau-Auen bei Hainburg nicht durch ein Kraftwerk zerstört wurden, sondern seit 1996 durch den Nationalpark geschützt sind. Bezeichnend, denn der Umweltdachverband engagierte sich von Beginn an für die heimischen Nationalparks und leistete für die Entstehung der Nationalparks Thayatal und Gesäuse maßgebliche Beiträge. Franz Maier, 1994-2008 Geschäftsführer und seit 2014 Präsident des Umweltdachverbandes, hatte großen Anteil an der Realisierung des Nationalparks Kalkalpen.

Mit dem „Jahr der Naturparke“ wurde 1999 gemeinsam mit dem Verband der Naturparke Österreichs eine Weiterentwicklung der Naturparke eingeleitet. Wegbereiter für das UNESCO-Welterbegebiet Hallstatt – Dachstein – Salzkammergut war Hubert Trimmel (†2013), ehemaliger Vizepräsident des Umweltdachverbandes, Ehrenpräsident des VÖH und Ehrenvorsitzender von CIPRA Österreich.

Last but not least geht auch der entscheidende Antrieb für den Biosphärenpark Wienerwald auf die Initiative des Umweltdachverbandes zurück. Immer wieder gelang es, wichtige Naturgebiete und strategische Wasserressourcen – wie das Revier Wildalpen – vor Zerstörung oder Privatisierung zu bewahren. Der Umweltdachverband hatte außerdem maßgeblichen Anteil daran, dass der Skigebietszusammenschluss quer durch das Naturschutzgebiet Warscheneck verhindert werden konnte.


Wanderung zum Schafferteich im Rahmen der Pressekonferenz zum Thema Warscheneck © Leitgeb

Reichtum unserer Naturschätze erhalten

Hohe biologische Vielfalt ist der Maßstab für gesunde Umwelt und intakte Natur – doch dieser Reichtum ist im Lauf der vergangenen Jahrzehnte mehr und mehr geschwunden. Der Umweltdachverband engagiert sich deshalb von Anbeginn für den Erhalt der heimischen Tier- und Pflanzenarten sowie der Vielfalt an Lebensräumen in der Natur- und Kulturlandschaft. Seit Ende der 1990er-Jahre setzt sich der Umweltdachverband dafür ein, das europaweite Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 in Österreich zu stärken und zu verdichten. 2012 veröffentlichte der Umweltdachverband eine gemeinsam mit Expert:innen erstellte „Schattenliste Natura 2000“ und zeigte darin die Naturschutz-Versäumnisse auf. In den Folgejahren wurden 134 wertvollste Naturgebiete nachnominiert. 2019 wurde das EU-Vertragsverletzungsverfahren zu Natura 2000 abgeschlossen – ein weiterer großer Erfolg!
Zukunftsweisend ist auch das Engagement des Umweltdachverbandes für eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit in Sachen Biodiversitätsschutz.
Last but not least ist der Schutz der Alpen als Natur- und Lebensraum eine der vielen Missionen des Umweltdachverbandes, der auch Träger der Alpenschutzkommission CIPRA Österreich ist.

Volle Kraft für unser Wasser

Im Gewässerschutz wiederum wirkt der Umweltdachverband durch intensive Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit für eine effektive Umsetzung der EU-WRRL, um den heimischen Wasserschatz in seiner Einzigartigkeit zu erhalten – ganz nach dem obersten Gebot der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL):

„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“.

Umfassender Gewässerschutz und die effektive Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie sind Voraussetzungen dafür, den Wasserschatz Österreichs in seiner Einzigartigkeit zu erhalten. Im Internationalen „Jahr des Wassers 2003“ führte der Umweltdachverband eine österreichweite Kampagne durch, die darauf abzielte, den Schutz des kostbaren Guts verfassungsrechtlich zu verankern, durch.


Übergabe der Wasserpetition an den Präsidenten des Österreich-Konvents Franz Fiedler durch Umweltdachverband-Präsident Gerhard Heilingbrunner © Franz Pfluegl

Mit seiner erstmals 2010 veröffentlichten Wasserkraftwerksliste zeigte der Umweltdachverband die Eingriffe der Kraftwerksbauer in die heimischen Flussjuwele auf. Denn: Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken können Gewässerlebensräume negativ beeinflussen und müssen daher im Einklang mit ökologischen Kriterien stehen. Jeher setzt sich der Umweltdachverband deshalb für den Erhalt der letzten naturnahen Fließgewässerabschnitte ein.

Im Zuge der Kampagne „Rette unser Wasser“ konnte der Umweltdachverband einen weiteren Erfolg in Sachen Gewässerschutz feiern. 375.386 Menschen beteiligten sich an der öffentlichen Konsultation der Europäischen Union und setzten sich für die Beibehaltung der Wasserschutzbestimmungen ein. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius bestätigte schließlich die Wasserrahmenrichtlinie als funktionierende Direktive für den europäischen Gewässerschutz!

Mitspracherecht & ethische Verantwortung

Zu einer der Stärken des Umweltdachverbandes zählt nicht zuletzt die hohe umweltrechtliche Kompetenz. Seit seiner Gründung tritt der Umweltdachverband für mehr Bürger:innenbeteiligung und NGO-Mitspracherechte in Natur- und Umweltschutzbelangen und die Weiterentwicklung umweltrechtlicher Standards ein. Dabei punktet er mit Fachkompetenz u.a. in Sachen Aarhus-Konvention und UVP-Verfahren.

Wegweisend hat sich auch die Aussage von Alfred Stingl, 1986-1993 Präsident der ÖGNU, erwiesen:

„Daher wird es auch in Zukunft die wichtigste Aufgabe der ÖGNU sein, eine Symbiose zwischen Naturschutz und einer ethisch verantwortbaren Nutzung der Natur zu finden“.

Eine Aufgabe, der sich der Umweltdachverband seit Jahrzehnten widmet, die aber an Aktualität nicht verloren hat – ein naturverträgliches Energiesystem, das den Bedürfnissen von Mensch und Natur gerecht wird, zählt nach wie vor zu den größten Herausforderungen.


Protest gegen den Kraftwerksbau an der Schwarzen Sulm © Archiv Umweltdachverband

Bildung für nachhaltige Entwicklung

1994 wurden das EU-Umweltbüro und das Alpenkonventionsbüro, gegründet. Bereits 1983 wurde die ARGE Umwelterziehung ins Leben gerufen, um Ökologiethemen in einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern. In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten ist sie als Forum Umweltbildung zur zentralen Plattform im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung gewachsen.

„Stolz bin ich auf die ARGE Umwelterziehung. Sie hat dem Unterrichtsprinzip Umwelterziehung in der Schule Inhalt, Schwung und Dynamik gegeben. Es war eine große Genugtuung für mich, als ich die Konferenz der OECD Bildungsminister 1985 in Paris gewinnen konnte, sich unser Prinzip Umwelterziehung zu eigen zu machen, das heute in vielen europäischen Ländern nach österreichischem Vorbild praktiziert wird“

erzählt Umweltdachverband-Gründungspräsident Moritz, der Mitte der 1980er Jahre zum Bundesminister für Unterricht Kunst und Sport berufen wurde.

BNE-Sommerakademie 2022: in Zukunfts-Spielräume eintauchen! © Katharina Nieschalk

Mutig in die Zukunft

Vieles wurde in den vergangenen 50 Jahren im Umwelt- und Naturschutz erreicht, doch Zeit zum Ausruhen wird es wohl nie geben. Die Herausforderungen sind nach wie vor komplex: Der Stopp des Artensterbens, der Schutz und die Erhaltung (über)lebensnotwendiger Naturräume, der Ausbau eines naturverträglichen Energiesystems, das Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft und die Forcierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung sind dringlicher denn je. Umso wichtiger ist es, fachlich tiefgehende und faktenbasierte Arbeit zu leisten. Dafür braucht es nicht nur den mahnenden Zeigefinger, um auf problematische Entwicklungen aufmerksam zu machen, sondern steten Dialog mit allen, die den Umwelt- und Naturschutz voranbringen. Denn nur mit gebündelter Kraft können praxisgerechte Lösungen gefunden und Verbesserungen erzielt werden. „Wir stehen für lösungsorientierte Zugänge, die machbar sind“, betont Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des
Umweltdachverbandes – damit die Vision „Eine Welt, in der wir Menschen im Einklang mit der Natur leben“ Wirklichkeit werden kann.

© Fabio Lamanna_Shutterstock_226264720

Die ehrenamtlichen Präsidenten des Umweltdachverbandes:

  • 1973-1984: Dr. Herbert Moritz
  • 1984-1986: Dr. Herbert Salcher
  • 1986-1993: Alfred Stingl
  • 1993-2014: Dr. Gerhard Heilingbrunner
  • seit 11/2014: Mag. Franz Maier

Die Geschäftsführer:innen des Umweltdachverbandes:

  • 1973-1974: Helfried Ortner
  • 1975-1978: Dr. Erhard Zach
  • 1978: Dr. Franz Hiess
  • 1978-1983: DI Dr. Heinz Kaupa
  • 1983-1992: DI Walter Scharf
  • 1993: Mag. Willi Linder
  • 1993-1994: Dr. Bernadette Damböck
  • 1994-2008: Mag. Franz Maier
  • 2008-2017: Mag. Michael Proschek-Hauptmann
  • seit 03/2017: Mag. Gerald Pfiffinger