PLAGE, Umweltdachverband & Co.: Österreichs Atompolitik konkreter - 3 Fragen an Parteien und SpitzenkandidatInnen

Bis auf «Die Christen» haben alle bundesweit antretenden Parteien zu Fragen von Atomgegner- und Umweltschutzorganisationen Stellung bezogen. Ob «Sauberwaschen» der Atomenergie als «CO2-arme Technologie», ob Atom-Sonderbeauftragte/r für verstärkte Bemühungen zur Zusammenarbeit atomkritischer Staaten, oder Auflösung des «Knebelabkommens» von 1959 zwischen Weltgesundheitsorganisation und Internationaler Atomenergie-Agentur: halten die Parteien Wort, lassen sich für die kommende Legislaturperiode in Regierung und Parlament relativ konkrete atompolitische Schritte erwarten.

Anfang September richteten Atomkraftfreie Zukunft (Wien), atomstopp_oberösterreich, die Salzburger Plattform gegen Atomgefahren (PLAGE), die Ärzte und Ärztinnen für eine gesunde Umwelt (ÄGU), der Umweltdachverband sowie die Umweltbeauftragten der Katholischen und Evangelischen Kirchen Österreichs drei gezielte Fragen an die bundesweit kandidierenden Parteien und deren Spitzenkandidaten. In der ersten ging es um die Bereitschaft, sich entschlossen weiteren Versuchen insbesondere auf EU-Ebene zu widersetzen, die Atomenergie als «CO2-arme Technologie» oder mittels ähnlicher Etikettenschwindel zu begünstigen. Solche Vorstöße seien, so befürchten die Atomgegner, vor allem unter der französischen und der darauffolgenden tschechischen EU-Präsidentschaft zu erwarten.

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Diesbezüglich werde sich die SPÖ «auch in den Verhandlungen zum EU-Klimaschutzpaket» weiterhin «klar gegen jeglichen Versuch» stellen, «unter dem Deckmantel des Klimaschutzes die Atomenergie wieder zu forcieren.» Denn es «ist unverantwortlich, ein Umweltrisiko durch ein anderes bekämpfen zu wollen.» «Mit uns wird es das nicht geben, die Grünen agieren hier kompromisslos», zeigen sich Van der Bellen und Team ihrerseits kämpferisch. Ähnlich, wenn auch mit weniger deutlichem Bekenntnis zu aktivem Widerstand, äußert sich die ÖVP, weil die «Kernenergie weder mit den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung in Einklang zu bringen ist noch eine kostengünstige und zukunftsverträgliche Option zur Bekämpfung des Klimawandels darstellt.» Auch «nicht zuletzt aus Gründen eines fairen Wettbewerbs» hält es Österreich, so die ÖVP, «nicht für die Aufgabe der EU, bereits etablierte, nicht nachhaltige Energietechnologien zu fördern.» FPÖ-Strache und BZÖ-Haider weisen sinngemäß ähnlich ferner darauf hin, dass «auch die Uranvorkommen irgendwann erschöpft» sind und «wir vor demselben Problem wie heute stehen - Rohstoffknappheit.» Auch für das Liberale Forum «ist den Revitalisierungsbestrebungen» für die Atomkraft «auf allen politischen Ebenen entschieden entgegen zu treten.»

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Seit 1959 verpflichtet ein kaum bekanntes Abkommen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Forschungsprojekte und andere Aktivitäten im Zusammenhang mit radioaktiver Strahlung nur in Abstimmung mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) durchzuführen. (www.independentwho.info) «Da dies de facto auf eine Knebelung der WHO durch die atomfreundliche IAEA hinausläuft, findet dagegen seit mehr als einem Jahr vor dem WHO-Sitz in Genf eine tägliche Mahnwache statt», begründet PLAGE-Obmann Heinz Stockinger das zweite Ansinnen der NGOs an die Wahlwerber. Danach soll Österreichs Gesundheitsminister/in in der kommenden Legislaturperiode ehestmöglich in der WHO einen Antrag auf Auflösung des «Knebel-Abkommens» von 1959 einbringen.

Bis auf SPÖ und ÖVP wollen alle Parteien, dass Österreich hier tätig wird. Der Tenor des LIF, «eine Gegenkontrolle seitens der WHO» gegenüber der IAEA «hinsichtlich der Atomenergie-Konsequenzen (z.B. Tschernobylfolgen) ist jedenfalls sinnvoll und daher werden wir die Bestrebungen zur Aufhebung dieses Abkommens unterstützen», findet sich bei sämtlichen kleineren Parteien. „Es ist sicherlich sinnvoll und notwendig, die WHO in dieser Frage aus dem Einflussbereich der IAEO herauszulösen», schreiben etwa die Grünen. «Den Tätigkeitsbereich der radioaktiven Strahlung der IAEA zu unterwerfen (...) unterstützt jegliche Art der Vertuschung.» (BZÖ) Und die FPÖ kündigt dazu bereits «einen Antrag im Parlament» an.
Von den beiden größten Parteien hält sich die ÖVP auf diesem internationalen Parkett völlig bedeckt. «Nicht direkt» regle das IAEA-WHO-Abkommen «Sachfragen, wie beispielsweise radioaktive Strahlung.» Der SPÖ hingegen ist zwar «nicht bekannt, dass die IAEO auf Grund des bestehenden Abkommens Druck auf die WHO ausgeübt hätte, ihre Untersuchungen und Ergebnisse atomfreundlich zu gestalten.» Spitzenkandidat Werner Faymann wäre den Absendern der Fragen «aber dankbar, wenn Sie mir Informationen über konkrete Fälle zukommen lassen würden, bei denen Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit von WHO und IAEO die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation negativ beeinflusst hat.» PLAGE, ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt und Partner kündigen an, dass sie dieses SPÖ-Angebot selbstverständlich aufgreifen werden.

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Schließlich soll, geht es nach den Atomgegnern, die künftige Regierung in Abstimmung mit den einschlägigen NGOs einen atompolitischen Sonderbeauftragten einsetzen. Dieser soll sich ausschließlich der Verbesserung der Kontakte und des Informationsaustausches, der Sondierung und Ausarbeitung möglicher gemeinsamer Positionen und Initiativen mit anderen atomkritischen Staaten widmen, sowie mit atomkritischen Kräften (Parteien, Verbände, NGOs, Wissenschafter,...) in Atombetreiberstaaten. Er soll ähnlich gesinnten Ländern etwa das österreichische Atomhaftungsgesetz von 1999 nahebringen, welches als praktisch einziges weltweit von den Atombetreibern und -zulieferern volle Haftung für mögliche Schäden verlangt.
Von den möglichen kleineren Koalitionspartnern sprechen sich Grüne und FPÖ am eindeutigsten für einen solchen Gesandten in Sachen Atomenergie aus. So finden die Grünen aufgrund der Erfahrungen mit den «Anti-Atom-Beauftragten» in einzelnen Bundesländern eine ähnliche Funktion «auch auf Bundesebene vorstellbar und sinnvoll, um in der Frage eines europäischen Atomausstieges und einer Beendigung der Subventionen für die Atomindustrie endlich weiterzukommen.»
Für die SPÖ könnte «die Ernennung eines Sonderbeauftragten eine sinnvolle Ergänzung» zur Koordination der Nuklearpolitik durch den Umweltminister darstellen und wären «präzisere Vorstellungen zu seinen Aufgaben» interessant, «die in die Regierungsverhandlungen einfließen könnten.» Die Volkspartei gedenkt die Atom-Außenpolitik zwar weiterhin den bestehenden Strukturen zu überlassen. Immerhin aber will sie laut ihrem «Bürgervertrag» auch atompolitische Vorschläge aus «halbjährlichen Runden Tischen mit den NGOs in die Regierungsarbeit einfließen» lassen.

Von den übrigen bundesweit antretenden Parteien unterstützen «Rettet Österreich» und die KPÖ sämtliche drei Atomgegneranliegen uneingeschränkt. Die positiven Antworten der Liste FRITZ erscheinen als etwas unpräzise, etwa zur Abwehr von Etikettenschwindel pro Atomkraft in EU-Klimaverhandlungen: «Österreich muss Güssing werden», also wie der burgenländische Ort «voll auf alternative Energieträger» setzen. Dabei müsse man „allerdings vorsichtig sein, um etwa bei der Wasserkraft nicht über die Hintertür der Pumpspeicherkraftwerke Atomstrom nach Österreich zu holen.» «Die Christen» haben sich als einzige nicht geäußert.