Umweltdachverband präsentiert Topliste der 50 bedrohtesten Tierarten Österreichs. Arten- und Naturschutz endlich ernst nehmen!

  • Biodiversitätskonvention darf nicht Kyoto-Schicksal erleiden - erstmals liegt Prioritätenliste der 50 bedrohtesten Tierarten Österreichs vor
  • Konkrete Projekte zum Schutz der bedrohtesten Tierarten jetzt umsetzen
  • UWD fordert Bundesrahmennaturschutzgesetz - Vollziehung weiterhin bei den Bundesländern

Wien, 27.05.08 (UWD) Auf dem UN-Weltgipfel 2002 in Johannesburg haben sich die Staats- und Regierungschefs verpflichtet, bis 2010 den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. Dieses Ziel ist Teil der Biodiversitätskonvention, die von Österreich 1994 ratifiziert wurde. «Dieses internationale Übereinkommen läuft zunehmend Gefahr, das Schicksal des Kyoto-Protokolls zu erleiden: viele Lippenbekenntnisse, wenig Maßnahmen und das vereinbarte Ziel in weiter Ferne», erklären Dr. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, und Säugetierexpertin Dr. Friederike Spitzenberger bei der heutigen Artenschutzpressekonferenz in Wien. Aktuell wird diesen Mittwoch und Donnerstag (28. und 29. Mai 2008) auf Ministerebene in Bonn bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz um die biologische Vielfalt gerungen. Kein Wunder, denn der Biodiversitätsverlust ist eklatant - global wie national. Auch Österreichs biologischer Reichtum schwindet rasant, wie folgende Beispiele zeigen: Von den rund 3.000 wild wachsenden Pflanzenarten sind 40 %, von den 97 Säugetierarten ist rund die Hälfte auf der Roten Liste zu finden, von 61 Wiesentypen sind 90 % gefährdet. «Österreich hat sich zum Ziel 2010 bekannt. Den Worten müssen jetzt Taten in Österreich folgen. Die Politik ist gefordert, den Natur- uns Artenschutz endlich ernst zu nehmen, artenspezifische Aktionspläne zu erstellen und umzusetzen und die notwendigen Geldmittel für 50 österreichische Umsetzungsprojekte bereit zu stellen», verlangen Heilingbrunner und Spitzenberger unisono.

Prioritätenliste der 50 bedrohtesten Tierarten in Österreich - Hilfe für Ziesel, Fledermäuse, Fische & Co. sofort einleiten
Jetzt liegt erstmals eine im Rahmen mehrerer Expertenworkshops erstellte, bisher unveröffentlichte Prioritätenreihung für die Rettung der bedrohtesten Tierarten vor, die heute vom Umweltdachverband präsentiert wird (Prioritätenliste der 50 bedrohtesten Tierarten in Österreich - Downloadpdf-Datei, 222 KB)). Vom Ziesel über die Große Hufeisennase, Wachtelkönig und Wiesenotter bis hin zu Wiedehopf, Schleiereule, Triel und Donaukammmolch: «Die aktuelle Liste der 50 bedrohtesten Wirbeltiere Österreichs zeigt, wo nun konkret anzusetzen ist“, so Heilingbrunner. Demnächst startet das Lebensministerium eine 2010-Biodiversitäts-Kampagne. «Diese Biodiversitätskampagne, die mit 1 Million Euro dotiert ist, muss ohne wenn und aber auf diese Prioritätenliste der 50 gefährdetsten Tierarten Österreichs eingehen. Mit dieser Millionenkampagne müssen jetzt Aktionsprogramme betreffend Ziesel, stark bedrohte Fledermausarten, Wiesenotter und vor allem für viele Fischarten unterstützt bzw. in Angriff genommen werden», fordert Heilingbrunner.

UWD gründet «Controlling Komitee 2010 - Stopp Artenverlust»
Damit das 2010 Ziel - Stopp dem Artenverlust kein Kyoto-Schicksal ereilt, beabsichtigt der UWD zur Unterstützung des Umweltministeriums ein «Controlling Komitee 2010 - Stopp Artenverlust» mit folgenden Aufgaben einzusetzen: Controlling und Bewertung von Kampagnen und konkreten Beiträgen der Gebietskörperschaften, wie auch der Bundesforste zum Stopp des Artenverlustes. Überprüft wird, was Nationalpark- und andere Schutzgebietsverwaltungen zur Erreichung des 2010 Zieles beitragen werden.

Weitere Rote Listen für Pflanzen, Lebensräume, Insekten, Weichtiere abschließen und rasch veröffentlichen
Zudem ist eine Liste mit den bedrohtesten Pflanzenarten sowie den gefährdetsten Lebensräumen bereits seitens des Umweltbundesamtes (UBA) in Ausarbeitung. Auch hier gilt es, mit konkreten Aktionsprogrammen dem Biodiversitätsverlust bei den bedrohten Pflanzen und Lebensräumen gegenzusteuern. «Mindestens so wichtig wie PR-Maßnahmen und konkrete Aktionsprogramme sind auch die Vervollständigung weiterer Roten Listen für die große Gruppen der Insekten wie auch der Weichtiere. All diese Lücken müssen bis 2010 gefüllt werden, damit rasch Gegenmaßnahmen und Schutzprogramme realisiert werden», so Heilingbrunner und Spitzenberger.

Politik muss handeln - Bundesrahmennaturschutzgesetz muss endlich kommen
Genauso wichtig ist auch die österreichweit einheitliche Erfüllung der EU-Naturschutzrichtlinien sowie die konsequente Umsetzung internationaler Konventionen. «Praktisch kein österreichisches Bundesland erfüllt die oft bereits jahrelang geltenden Schutzverpflichtungen - die sich etwa aus den EU-Naturschutzrichtlinien oder aus internationalen Konventionen ergeben. Letztere reichen von der Biodiversitätskonvention und dem Washingtoner Artenschutzabkommen über die Alpenkonvention bis zur Bonner, Berner und Ramsar Konvention», sagt Heilingbrunner. Über Bundesländergrenzen hinweg wird nach wie vor nicht effektiv zusammengearbeitet. «Nur wenn alle Bundesländer und der Bund an einem Strang ziehen, kann effektiver Naturschutz gelingen. Es muss endlich eine bundeseinheitliche Vorgabe punkto Natur- und Artenschutz in Form eines Bundesrahmennaturschutzgesetzes geschaffen werden - alles andere wäre falsch verstandener Föderalismus», erklärt Heilingbrunner.

UWD: Bonner Konvention zum Schutz der Fledermäuse - totes Recht in Österreich!
Obwohl alle 26 heimischen Fledermausarten durch die EU-Naturschutzrichtlinie, die Berner und die Bonner Konvention geschützt sein müssten, sind ein Zehntel der 50 am meisten gefährdeten Wirbeltierarten Österreichs Fledermäuse. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass für keine einzige dieser fünf Fledermausarten in Österreich ein spezieller Artenschutzplan erstellt oder ein Artenschutzprojekt durchgeführt wurde oder wird. Innerhalb der Staaten der Europäischen Union hat Österreich als eines von nur vier Ländern das Detailabkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (EUROBATS) nicht unterschrieben. Dieser völkerrechtliche Vertrag verpflichtet die Vertragsstaaten zum Schutz von Fledermäusen. Das Fledermausabkommen steht unter der Schirmherrschaft des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten, der «Bonner Konvention».«Österreich hat diese Konvention zwar ratifiziert, da es dem Detailabkommen zum Schutz der Fledermäuse aber nicht beigetreten ist, ergibt sich keine Verpflichtung zu nachweislichem Schutz dieser bedrohten Tiere», erklärt Spitzenberger. In diesem Zusammenhang appelliert der Umweltdachverband an Frau Außenministerin Dr. Ursula Plassnik, die sich anlässlich des internationalen Tags der Biologischen Vielfalt nachdrücklich für die Erhaltung der Biodiversität als wichtiges Instrument zur Sicherung der Ernährung der wachsenden Menschheit ausgesprochen hat, dafür zu sorgen, dass Österreich bis Ende 2009 als 32. europäisches Land dem Fledermausabkommen beitritt.