Umweltdachverband und Mitgliedsorganisationen zur aktuellen Umweltgesetzgebung

  • UVP-Gesetz - die zentralen Forderungen der Umweltorganisationen
  • Appell an E-Wirtschaftsverband, IV und WKÖ, die Blockade für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz in UVP-Verfahren zu beenden
  • Protestplattform www.stopp-bevorzugten-kraftwerksbau.at - erste Zwischenbilanz
  • Öffentliches Interesse an Kraftwerksbau in UVP fehl am Platz  

Wien, 16.06.09 (UWD) - Demnächst soll die Regierungsvorlage zum Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz im Ministerrat beschlossen und noch vor der Sommerpause im Parlament behandelt werden. Im Vorfeld dieses Beschlusses torpedieren der E-Wirtschaftsverband, die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer Österreich allerdings im UVP-Gesetz vorgesehene und längst fällige UVP-Prüfkriterien zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz und lobbyieren zudem heftig dafür, alle Verfahren im Bereich der Wasserkraft als vereinfachte Verfahren abzuführen. «Wir wehren uns gegen eine Schwächung und Aufweichung dieses Gesetzes. Die UVP muss weiterhin ein wichtiges Instrument im Umwelt- und Naturschutz bleiben», fordert Dr. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes. «Nachdem jetzt die Festsetzung eines öffentlichen Interesses für einen bevorzugten Kraftwerks- und E-Leitungsbau vorerst gefallen ist, ist außerdem jeglicher Versuch, dieses öffent-iche Interesse nunmehr in das UVP-Gesetz hineinzuschummeln, fehl am Platz und wird seitens der Umwelt- und Naturschutzverbände entschieden abgelehnt», ergänzt Heilingbrunner.

E-Wirtschaft lehnt umweltrelevante Genehmigungskriterien für neue Anlagen ab
Grund für den Widerstand der E-Wirtschaft ist § 17 Abs 2 des Entwurfs, der gewährleisten soll, dass bei der Errichtung von UVP-pflichtigen Kraftwerken und neuen Anlagen der Grundstoff-, Stahl-, Papier- und chemischen Industrie im Zuge der UVP der effiziente Einsatz der Energie und die Problematik der Treibhausgase berücksichtigt werden. «Angesichts der letzten Gaskrise, der Ziele der Klimastrategie, der EU-Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren und zur Reduktion der CO2-Emissionen und des angelaufenen Prozesses zur Ausarbeitung der Energiestrategie Österreich ist diese Regelung ein absolutes Muss!», so Heilingbrunner.

Wasserkraftwerke: keine vereinfachten Verfahren

Nach Wunsch der E-Wirtschaft sollten alle Verfahren im Bereich der Wasserkraft als verein-fachte Verfahren abgeführt werden. NGOs hätten dadurch keine Möglichkeiten mehr, bis zum VwGH zu gehen. «Das wäre ein Freibrief für die EVUs, Österreich mit Kraftwerken zu-zupflastern. Die längeren Verfahrensdauern in diesem Bereich werden insbesondere durch die strengen Sicherheitsvorschriften bzw. durch das Unvermögen der Unternehmen selbst verursacht - und sind nicht auf die angeblich zu rigiden Umweltvorschriften zurückzuführen. Außerdem ist die Länge der Verfahrensdauern ohnehin unter dem europäischen Schnitt», erklärt Dr. Johannes Gepp, Vizepräsident des Naturschutzbund Österreich.

Schigebiete: Verwässerung der UVP-Bestimmungen widerspricht Alpenkonvention
Die Verwässerung der UVP-Bestimmungen für Schigebiete kurbelt die Wettbewerbsspirale und gegenseitige Aufschaukelung der Schiregionen weiter an. Immer wieder ist es Projektwerbern möglich, trotz massiver Beeinträchtigung der alpinen Umwelt aufgrund der hohen Schwellenwerte und mangelhafter Kumulationsbestimmungen ohne Durchführung einer UVP ein großes Schigebiet zu errichten - wie auch zuletzt das Beispiel Mellau/Damüls in Vorarlberg gezeigt hat. «Eine weitere Lockerung für Eingriffe in Schutzgebiete steht außerdem im Widerspruch zur Alpenkonvention. Die für Schigebietserweiterungen festgelegten, inakzeptablen Schwellenwerte sind für sensible Gebiete - wie die Alpenregion - zu hoch angesetzt und müssen stark nach unten revidiert werden. Kommt die Anhebung der Schwellenwerte wie vorgesehen, ist eine weitere Beschwerde bei der Europäischen Kommission unausweichlich und ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren sehr wahrscheinlich. Die Schwellenwerte würden damit ohnehin wieder von der Kommission beanstandet und wären totes Recht», bekräftigt Dr. Christian Wadsack, Präsident des Oesterreichischen Alpenvereins. «Gemeinsam mit dem UWD und anderen Organisationen haben wir bereits eine entsprechende EU-Beschwerde vorbereitet und werden diese umgehend einreichen», so Wadsack.

Naturnahen Tourismus nicht gefährden
Völlig unverständlich ist zudem, dass die Seilbahnwirtschaft nach weiteren Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren trachtet. Die Alpen sind nachweislich das am dichtesten erschlossene Gebirge der Erde, in Österreich gelegene Regionen zählen darin zu den touristisch intensivst genutzten Räumen. «Zahlreiche Seilbahnunternehmen wollen jetzt bei der Errichtung von seilbahntechnischen Infrastrukturen und Anlagen in bisher unerschlossene Räume vordringen, die sich durch ihre wertvolle Natur und besondere Eignung für den naturnahen Tourismus auszeichnen. Dabei wird nicht einmal mehr vor Schutzgebieten Halt gemacht. Es ist ein Anschlag auf unsere Natur und den Ökotourismus, dass die für Schutzgebiete relevanten UVP-Bestimmungen in der beabsichtigten Novellierung noch erschließungsfreudiger gemacht werden sollen. Der fragliche Passus muss gänzlich gestrichen werden», ergänzt Reinhard Dayer, Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Österreich.

Zielsetzungen von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung werden konterkariert
«Das Österreichische UVP-G setzt internationales Recht und insbesondere EU-Richtlinien nicht ausreichend um. Der aktuelle Entwurf einer Novellierung behebt dabei nur notdürftig die allergröbsten Mängel», hebt Dr. Reinhold Christian, Präsident des Forum Wissenschaft & Umwelt, hervor. Das Forum Wissenschaft & Umwelt fordert daher eine grundlegende Reform, die von vornherein alle internationalen Vorgaben erfüllt: 1. Vollständiges UVP-Verfahren mit fachübergreifendem Umweltverträglichkeitsgutachten als Regelfall. 2. Parteistellung und Antragsrecht für NGOs, Bürgerinitiativen und Nachbarn in Feststellungsverfahren und Einzelfallprüfungen. 3. Anpassung der Projektliste und der Schwellenwerte an aktuelle Erkenntnisse der Umweltwissenschaften, zumindest an den internationalen Standard.

NEIN zum bevorzugten Kraftwerks- und Stromleitungsbau
Das Wirtschaftsministerium wollte den «bevorzugten Kraftwerks- und E-Leitungsbau» sozusagen durch die Hintertür in das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) einschleusen. Ursprünglich wurde von Seiten der E-Wirtschaft versucht, eine Vorhabenskategorie «qualifizierter bzw. bevorzugter Wasserkraftwerksausbau» mit der UVP-G-Novelle einzuführen, was jedoch offensichtlich aufgrund des großflächigen Widerstands unterblieb - und vor Kurzem richtigerweise auch von Seiten des Umweltministeriums definitiv abgelehnt wurde. Gemäß § 7 Abs 2 soll der Wirtschaftsminister via ElWOG per Verfassungsbestimmung ermächtigt werden, für alle Kraftwerks- und Leitungsbauten in Österreich per Bescheid das öffentliche Interesse festzustellen. «Damit sollen künftig Wasserkraft-, Strom- und Gasleitungsprojekte durchgepeitscht werden. Rechte der AnrainerInnen, der lokalen Bevölkerung, der Umwelt und des Naturschutzes werden damit massiv beschnitten. Mit Ausnahme der IV gibt es nur negative oder indifferente Stellungnahmen zu diesem Unterfangen, vor allem die Bundesländer Niederösterreich und Salzburg kritisieren dieses Gesetzesvorhaben, ebenso wie das Lebensministerium. Dank breiten Protests des Umweltdachverbandes und seiner Mitgliedsorganisationen hat der Wirtschaftsminister daher seine Pläne in Sachen öffentliches Interesse auf Herbst verschoben», sagt Heilingbrunner.

Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Naturschutzrichtlinien beachten
«Für eine Interessensabwägung zwischen Wasser-, Naturschutz und Energieversorgung bieten das UVP-Gesetz sowie das Wasserrechtsgesetz und die Naturschutzgesetze der Länder bereits jetzt Möglichkeiten - und nur gänzlich umweltunverträgliche Projekte werden nicht realisiert. Außerdem sind die Vorgaben der FFH-RL, der Vogelschutz-RL und der WRRL zu beachten. Die hohen Vorgaben der WRRL zur Renaturierung der Fließgewässer und zum Erhalt der letzten freien Fließgewässerstrecken stecken der Wasserkraftnutzung zwar einerseits enge Grenzen, andererseits legen die Anforderungen des Klimaschutzes die Wasserkraftnutzung bis zu einem bestimmten Grad nahe. Dieses Spannungsverhältnis darf jedoch nicht im Sinne einer völligen Außerachtlassung der WRRL und der Naturschutz-Richtlinien gelöst werden. Klimaschutz darf nicht gegen Naturschutz ausgespielt werden!», bekräftigt Dr. Günther Kräuter, Präsident des Verbandes der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine

Online-Unterschriftenkampagne
«Wir haben vor kurzem eine Online-Unterschriftenkampagne gestartet, die von 20 Organisationen unterstützt wird. 1.200 Unterschriften bisher - und es werden täglich mehr - zeigen den breiten Protest der Öffentlichkeit gegen dieses Steinzeitgesetz klar und deutlich. Wir werden weiterhin am Ball bleiben, Unterschriften sammeln und appellieren an Mitterlehner, den Anschlag auf die BürgerInnenrechte und auf den Umwelt- und Naturschutz abzublasen!», sagt Heilingbrunner.

Fazit

In Sachen UVP-G Novelle appellieren der Umweltdachverband und seine Mitgliedsorganisationen an Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Pröll, dem Gesetzesentwurf nur zuzustimmen, wenn Klimaschutz und Energieeffizienz endlich zum Thema werden, wenn die Schwellenwerte für Schigebiete nicht angehoben werden und wenn es zu keiner Bevorzugung des Kraftwerkbaus kommt. «Das Festschreiben eines überwiegenden öffentlichen Interesses am Kraftwerks- und E-Leitungsbau hat im UVP-G jedenfalls nichts verloren. Es wäre ein Rückschritt für eine moderne Demokratie!», sagt Heilingbrunner abschließend.

  • Presseunterlage, Download (pdf-Datei, 162 KB) 

  • Zusammenfassung der eingelangten Stellungnahmen zu Z4 (§ 7 Abs 2 und 3) ElWOG und Z3 (§ 6 Abs 2 und 3) GWG des Entwurfs zum Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz für den Energiebereich,
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