Nachlese: Internationaler Forschungsdialog „Green Care“, 1. April 2016

„Frischluft tanken“, die „gesunde Landluft“, „auf Sommerfrische gehen“ – in unserem Sprachgebrauch spiegelt sich wider, was wir seit Jahrhunderten wissen: Natur tut uns gut. Aber wie kann man die positive Beziehung zwischen Natur und Gesundheit beweisen? Was heißt „gesund“ überhaupt? Und welche Art von Natur ist am besten für unser Wohlbefinden? Diesen Fragen widmete sich der Internationale Forschungsdialog „Green Care“ am 1. April 2016 auf der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik.

meditation Pixabay CC0

© Pixabay_CC0

Von schlechten Winden und gutem Ozon: Natur und Gesundheit über die Jahrhunderte

Dass Gesundheit mehr als die Abwesenheit von Krankheit ist, stellte Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und Dozent an der Universität Basel, gleich zu Beginn seines Vortrags fest. Vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum, auf dem man sich stufenlos in die eine oder andere Richtung bewegen kann und mithilfe der Natur versuchen kann, möglichst den Pol "gesund" zu erreichen.
In einem historischen Abriss beleuchtete er, welcher Faktor dabei der Natur bzw. Landschaft zugeschrieben wurde. Immerhin ist die Beziehung zwischen Mensch und Natur eine uralte, die aktuell wieder an Bedeutung gewinnt. Denn in einer Bevölkerung, die immer urbaner wird, wächst das Bedürfnis nach „nature for people“, also nach Naturerlebnis ebenso stetig. Immerhin wirkt Landschaft – ob in seiner naturbelassenen oder ausgestalteten Form auf alle drei Seiten der menschlichen Gesundheit und nimmt dabei drei unterschiedliche Rollen ein:

  • Physische Gesundheit (Landschaft als Bewegungsraum)
  • Psychische Gesundheit (Landschaft als Entspannungsraum)
  • Soziale Gesundheit (Landschaft als Begegnungsraum)

Egal, ob Vierelementenlehre von Aristoteles, Heilkräuterlehre oder Naturanschauung als Wohltat der Seele, viele WissenschaftlerInnen haben versucht, die vielen Gesichter und historischen Stationen der Beziehung Landschaft und Gesundheit zusammenzufassen. Die wichtigsten so formulierten Theorien sind folgende:

Natur ermöglicht uns die Erholung von geistiger Müdigkeit (Kaplan und Kaplan 1989), von Stress (Ulrich 1983), sie löst bei uns positive Gefühle aus (Hartig et al. 1996), beeinflusst so die soziale Integration positiv (Armstrong 2000) und wirkt durch gemeinsame Naturerfahrung (Sharpe 2005).

Dass uns der Aufenthalt in der Natur gut tut, scheint somit hinlänglich bekannt zu sein, fragt sich nun warum, wie und in welcher Form. Hierfür kann auf die eingangs erwähnten drei Komponenten der menschlichen Gesundheit zurückgegriffen werden: So gilt z.B. für den Einfluss auf die physische Gesundheit, dass es in der heutigen Praxis entscheidend und auch in der Raumplanung zu berücksichtigen ist, dass Menschen unterschiedliche Arten von Landnutzung und Infrastruktur bedürfen. Sprich: Es braucht sowohl Geh- als auch Fahrradwege und das in einer Gegend, wo sich nicht nur ein Einfamilienhaus an das andere reiht, sondern eine gemischte Nutzung mit Grünzonen und Wäldern vorzufinden ist.

Zahlreiche Studien haben die positiven Einflüsse der Natur auf die psychische Gesundheit untersucht und dabei unter anderem bewiesen, dass selbst kleinste Aufenthalte in der Natur erholsam sind: Unter anderem wird dadurch die Aufmerksamkeit gefördert (Stichwort: Pause im Grünen) und die kognitive und emotionale Entwicklung bei Kindern vorangetrieben. Nicht zuletzt tun die positiven Emotionen, die beim Aufenthalt in der Natur entstehen, unserer Psyche gut.

Auch, was die soziale Gesundheit anbelangt, ist die Natur ein wahres Wundermittel. Im „Begegnungsraum Landschaft“ – sei es also in Parkanlagen, Gemeinschaftsgärten oder sonstigem Freiraum kommen die Leute zusammen und laufen weniger Gefahr zu vereinsamen.

Dabei gelten für jeden Landschaftstyp, ob Wald, offene Landschaft oder Park eigene Regeln, unter welchen Rahmenbedingungen diese am „gesündesten“ sind. Ein wichtiger Faktor für alle Bereiche ist dabei die Diversität. Ausgeräumte Agrar- und Betonwüsten können uns nie so gut tun wie eine diverse, naturnahe und zugängliche Umgebung.

street Pixabay CC0

© Pixabay_CC0

 

Besser grün und gesund als arm und krank

Welche Bevölkerungsgruppen im urbanen Raum am meisten vom Zugang zur Natur profitieren können, damit beschäftigte sich Catharine Ward Thompson, die Professorin an der Universität Edinburgh ist und an zahlreichen Studien zu diesem Thema mitgearbeitet hat. Sie betonte, dass unsere Gesellschaft immer älter, aber auch immer „ungesünder“ wird: Übergewicht, Diabetes und psychische Probleme prägen moderne „entwickelte“ Gesellschaften. Inwiefern ein Aufenthalt in der Natur hier positiv entgegenwirkt, lässt sich wieder an den drei Dimensionen der menschlichen Gesundheit aufzeigen:

So gibt es Studien, in diesem Fall aus England, die zeigen, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zugang zu Grünräumen und physischer Gesundheit gibt – je mehr Grünraum im urbanen Raum zur Verfügung steht, desto geringer ist die kardiovaskuläre Mortalität. Wichtig ist dies u. a. für arme und sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten. Der sozioökonomische Status ist ja bekanntlich ein starker Indikator dafür, wie gesund man ist und wie früh man stirbt. Grünräume in der Nähe des eigenen Zuhauses vermögen es jedoch, diese Differenz auszugleichen. Sprich: je mehr zugängliche Grünräume, desto geringer die Gesundheitsunterschiede zwischen Arm und Reich und desto größer der (positive) Effekt auf die Mortalität.

Dass diese Gesundheit auch vererbbar ist, zeigt eine weitere Studien an schwangeren Frauen: Verbringen diese viel Zeit im Grünen, fördert dies die Entwicklung des ungeborenen Kindes positiv. Aber auch nach der Geburt ist der Zugang zur Natur das Um und Auf, wenn es zum Beispiel um die Entwicklung des Immunsystems geht: kommt ein Baby in den ersten Monaten mit vielen Mikrobakterien in Berührung, ist es gesünder. Was für jung gilt, gilt auch für alt: für SeniorInnen haben Aufenthalte in der Natur viele positive Einflüsse, sei es weil sich ihre sozialen Beziehungen zu den NachbarInnen verstärken oder weil sie sich einfach mehr bewegen als in ihrer Wohnung.

Fazit dieses Vortrags mit Fokus auf urbanen Grünräumen und Gesundheit ist: Eine Stadt, in der es ein gut vernetztes System an Grünräumen gibt, ist resilienter gegenüber allen extremen und unvorhersehbaren Ereignissen, bietet allen Gesellschaftsschichten Möglichkeit, gesund zu sein bzw. zu bleiben und spart damit auch der öffentlichen Hand Kosten, wovon natürlich auch die Wirtschaft profitiert.

Grün ist besser als Grau

Grün macht gesund, so viel steht mittlerweile fest. Doch welche Art von Freiraum wirkt sich besonders positiv auf die Gesundheit aus? Wie können wir solche „Gesundheitsräume“ vielleicht aktiv gestalten? Oder ist es sogar möglich, Naturräume mit dem Argument zu schützen, dass sie besonders gut für uns sind? Arne Arnberger von der Universität für Bodenkultur beschäftigte sich in seinem Vortrag intensiv mit unterschiedlichen Freiraumtypen und ihrer jeweiligen Wirkung.

ForscherInnen haben bereits die Wirkung von „Grün“ an unterschiedlichsten Orte untersucht: in allen Innenbereichen – von Kinderzimmer bis zu Gefängniszellen – wirken sich Pflanzen bzw. ein Blick ins Grüne positiv auf die Gesundheit aus. Auch für Außenbereiche gilt dank zahlreicher Studien, die verschiedenste Indikatoren verwenden klar, dass Grün (bzw. Blau) besser al Grau ist, sprich: Wald, Wiese und Wasser sind gesünder als Bebauung. Um jetzt der Frage auf den Grund zu gehen, welcher Grünraum das beste Heilmittel ist, müssen aber auch andere Faktoren miteinbezogen werden: So ist für die Erholung im Freien auch entscheidend, ob sich andere Personen darin bewegen und wie sich diese verhalten. Soziale Faktoren spielen, wenn es um Stressabbau im Grünen geht, sogar eine größere Rolle als physische.

Im Projekt „Pause bitte“ wurde der Fokus auf die gesundheitliche Wirkung unterschiedlicher Freiräume auf Jugendliche gelegt. Neben Befragungen zu Befindlichkeit wurden auch Puls, Lungenfunktion und Konzentration vor, während und nach dem Aufenthalt in drei unterschiedlichen Freiräumen gemessen: einem kleinen, städtischen Park mit hoher Lärmbelastung, einem mittleren städtischen Park und einem größeren, naturnahen Park. Bei allen Freiräumen stieg die Erholung beim Besuch und sank bei der Rückkehr, aber einzig nach Besuch der großen Parkanlage gab es einen Nachhalleffekt, sprich ist die Stimmung der teilnehmenden SchülerInnen bei der Rückkehr in die Schule weniger gesunken als bei den Vergleichsfreiräumen.

Bei einer weiterführenden Studie (HealthSpaces) wurden unterschiedliche Biosphärenparks mit ihren jeweiligen typischen Landschaftsausformungen, nämlich Wiese, Wald (mit und ohne Bach) sowie Weingärten  auf ihre Wirkung auf die menschliche Gesundheit untersucht. Zum Vergleich wurde auch ein Spaziergang durch die Stadt durchgeführt. Wie zu erwarten war, bot letzterer als einziger keinen Erholungseffekt, alle anderen Typen waren hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der TeilnehmerInnen bezüglich des Erholungsfaktors sehr ähnlich. Daher gilt vorerst weiterhin die Erkenntnis: Grün ist besser als Grau.

planting Pixabay CC0

© Pixabay_CC0

Dein bester Freund, der Garten

Pflegen Sie zu Ihrem Garten eine engere Beziehung als zu Ihrem Wohnzimmer? Dann zählen Sie zur Mehrheit! Zu dieser erstaunlichen Erkenntnis kam es im Zuge der Arbeiten zur Publikation „My garden – my mate?“, bei der Renate Cervinka von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik (HAUP) federführend mitgewirkt hat. Ihr ging es darin weniger um die positive Wirkung öffentlicher Freiräume, sondern um die Beziehung zwischen privaten Freiräumen – konkret Gärten, Balkone und Terrassen – und Ihren NutzerInnen. Wenig überraschend wurden private Grünräume insgesamt als sehr erholsam eingestuft, wobei Gärten (8,05 von 10 möglichen Punkten) ein höheres Erholungspotenzial als Balkone und Terrassen (7,05 von 10) aufweisen. Überraschend war jedoch, dass Gärten noch erholsamer eingestuft wurden als das eigene Wohnzimmer! Entscheidend für die Erholsamkeit ist dabei die Beziehung, welche die NutzerInnen zum Garten aufbauen. Durch aktive Gestaltung der Freiräume mit Grünelementen wird diese erhöht und die Freude, Zufriedenheit und Verbundenheit als wesentliche Elemente dieser Beziehung etabliert.

Um die Erkenntnisse zur gesundheitsfördernden Wirkung von Gärten zu erweitern, wird derzeit übrigens an einer gleichnamigen Studien unter der Leitung von Dorit Haubenhofer von der HAUP gearbeitet.