Umweltdachverband zum Weltwassertag: Wasserkraftausbau mehrfach im Dilemma – es ist nicht alles Gold, was glänzt!

  • Ausbaudruck trotz immer geringerer Wirtschaftlichkeit nach wie vor groß
  • Aktuelle UWD-Wasserkraftwerksliste zeigt: 360 Vorhaben in Planung, Bau oder seit kurzem in Betrieb, 75 % davon in (sehr) sensiblen Gebieten: www.umweltdachverband.at/themen/wasser/wasserkraft/wk-planungen
  • UWD fordert Fokus auf Effizienzsteigerung statt weiterem Neubau

Wien, 22.03.16 (UWD) Der Rückzug des Verbunds aus den Kraftwerksplanungen zum Murkraftwerk Puntigam ist aktueller Beleg, dass die E-Wirtschaft in Sachen Wasserkraft aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit vor einem ökonomischen Dilemma steht. Nichtsdestotrotz wird weiter ohne Rücksicht auf ökologische Verluste in den letzten freien Fließstrecken geplant: Laut aktueller Recherchen des Umweltdachverbandes liegen 75 % aller in Planung befindlichen Kraftwerke in sehr sensiblen oder sensiblen Gebieten! Prominente Paradebeispiele sind die Kleinkraftwerke an der Schwarzen Sulm und der Isel oder das Megaprojekt Pumpspeicherkraftwerk Koralm. Diese Entwicklungen zeigen: Der energiewirtschaftliche Nutzen aus Wasserkraftwerken steht in keiner Relation mehr zum Schaden an wertvollen Fluss- oder Bachlandschaften, insbesondere verursacht durch die Vielzahl an Kleinkraftwerken, die nur einen geringen Beitrag zur Stromproduktion leisten. „Wasserkraftwerke sind weder zwangsläufig eine Goldgrube, noch generell ökologisch unbedenklich wie uns manchmal weisgemacht wird. Der Zustand der österreichischen Fließgewässer und der zunehmende Lebensraum- und Artenverlust sprechen gegen eine weitere Forcierung der Energiegewinnung aus Wasserkraft. Daran ändert selbst der Deckmantel Klimaschutz nichts – denn auch die Wasserkraft wird den steigenden Energiehunger Österreichs nicht stillen. Vielmehr gilt es, auf Energiesparen zu setzen und auch in Hinblick auf Klimawandelanpassung die Funktionsfähigkeit intakter Ökosysteme zu stärken“, erklärt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.

 Die Ergebnisse im Detail: 228 Kraftwerke in Planung, 132 in Bau oder bereits in Betrieb

Die vom Umweltdachverband anlässlich des internationalen Weltwassertages am 22. März veröffentlichte Liste aktueller Wasserkraftwerksvorhaben in Österreich zeigt: 228 Wasserkraftwerke mit einem geschätzten Regelarbeitsvermögen (RAV) von insgesamt rund 16,5 TWh/a befinden sich in Planung. Im Bundesländervergleich ist Kärnten Spitzenreiter – wiewohl der großen Zahl an 67 Planungen hier nur wenige tatsächlich realisierte  Kraftwerke gegenüber stehen, was darauf hindeutet, dass Kärnten höchst effektiv und vorbildhaft die im Österreichischen Wasserkatalog empfohlenen Kriterien zur Abwägung öffentlicher Interessen zur Anwendung bringt. Weitere Vorhaben: Tirol (51), Steiermark (41), Vorarlberg (23), Oberösterreich (20), Salzburg (18) und Niederösterreich (8). Von den 228 Kraftwerksplanungen weist nur ca. ein Sechstel eine Leistung von mehr als 15 MW auf, d. h. der überwiegende Anteil der Planungen betrifft prinzipiell nicht UVP-pflichtige Klein- und Kleinstwasserkraftwerke. Zudem sind 132 Lauf- und Speicherkraftwerke bereits in Bau oder in den vergangenen drei Jahren ans Netz gegangen. Von 360 erhobenen Kraftwerken sind 305 Neubauten und nur 55 Ausbauten bestehender Kraftwerke. Zum Vergleich: 2010 befanden sich 157 Kraftwerke in Planung, 59 in Bau bzw. seit kurzem in Betrieb.

75 % aller Kraftwerksvorhaben an (sehr) sensiblen Standorten

Die UWD-Wasserkraftwerksliste zeigt, dass vielfach ohne Rücksicht auf die Natur agiert wird, denn: 75 % der geplanten Vorhaben (173 von 228) liegen entweder in sehr sensiblen Gebieten – Nationalparks, Natura 2000-Gebieten oder Naturdenkmälern bzw. an Gewässerstrecken im sehr guten und guten Zustand – oder in sensiblen Gebieten, z. B. an Gewässerstrecken, in denen Maßnahmen nach Nationalem Gewässerbewirtschaftungsplan notwendig sind. Von den 132 in Bau bzw. Betrieb befindlichen Kraftwerken betreffen ebenfalls beinahe drei Viertel sehr sensible und sensible Gebiete.

Weg von Neubauten, hin zur Effizienzsteigerung bestehender Anlagen!

Angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, dass in Österreich nur 37 % des Gewässernetzes in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand und damit weit weg vom 100 %-Ziel der EU sind, fordert der UWD punkto Kraftwerkausbau die weitere Ausweisung von Schutzgebieten und schützenswerten Gewässerstrecken als Tabuzonen. Bereits geschehen ist dies z. B. in der Steiermark oder in NÖ in Form eines Regionalprogramms; in Vorarlberg schützt zumindest ein Landtagsbeschluss sehr gute Gewässerstrecken vor weiterer Wasserkraftwerksnutzung. „Eine zukunftsfähige Energieversorgung bedarf strategischer Energieraumplanungen auf überregionaler Ebene, welche den Schutz wertvoller Gewässerstrecken vor die Einzelinteressen von Kraftwerksbetreibern stellen. Und: Statt weiterer Neubauten gilt es, auf bereits energiewirtschaftlich erschlossene Fließgewässerabschnitte zu setzen und die Möglichkeiten zu Effizienzsteigerung und Revitalisierung auszuschöpfen. Wir regen – gestützt auf § 55g WRG 1959 – in allen Bundesländer an, ähnliche Prozesse wie in der Steiermark oder in NÖ zu starten, damit bald österreichweit strategische Planungsinstrumente für den Schutz unserer Fließgewässer vorliegen“, so Maier abschließend.

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