Umweltdachverband: Spannungsfeld Klima- und Naturschutz – wie die Energiewende naturverträglich gelingen kann!
- Bundesländer-Tournee im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums: Brennpunkt #Kärnten
- Forderung an Landesregierungen und Österreichische Bundesregierung: Energiewende muss dauerhaft naturverträglich gewährleistet und natürliche Endausbaugrenzen müssen endlich anerkannt werden
Erich Auer und Franz Maier (v.l.) ©UWD
Kärnten, 22.08.23 (UWD) Im Rahmen seiner Bundesländer-Tournee zum 50-Jahr-Jubiläum rückt der Umweltdachverband heute in Klagenfurt die Notwendigkeit einer naturverträglichen Energiewende in den Fokus: Den Klimaschutz naturverträglich zu gewährleisten, ist für die amtierende und die nächste Bundesregierung die wichtigste Aufgabe zur Erreichung der Klima- und Energieziele (100 % erneuerbarer Strom bis 2030, Klimaneutralität bis 2040). „Im Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) werden jedoch keine bzw. wirkungsarme Anreize für eine Berücksichtigung der natürlichen Ausbaugrenzen bei Wasser- und Windkraft gesetzt. Die Photovoltaik als naturverträglichste erneuerbare Energie wird regulatorisch in den Bauordnungen behindert, einem kafkaesken Fördersystem unterworfen und insgesamt zu unattraktiv gefördert. Für die Wärmewende, die Geothermie und den systematischen Ausbau der Biogasproduktion fehlen nach wie vor rechtliche und fördertechnische Rahmenbedingungen“, betont Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes. Ein wirksames Energieeffizienzgesetz wurde leider politisch gestutzt.
Naturschutz als Voraussetzung für erfolgreichen Klimaschutz
„24 % der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus degradierten oder zerstörten Ökosystemen. Es ist daher essenziell, beim Ausbau der Erneuerbaren unsere Landschaft und die Natur zu schützen, statt sie zugunsten der Energiewende weiter zu verbauen. Wer Klimaschutz ernst nimmt, muss daher den Schutz der Natur durch entsprechende Regeln und Instanzen sichern – denn klar ist: Ohne Erhalt und Wiederherstellung intakter Ökosysteme ist das Erreichen unserer Klimaziele ausgeschlossen. Eine gesamthafte Klimapolitik schützt hingegen unsere Lebensgrundlagen – Wasser, Wälder, Moore, Feuchtwiesen, Böden, Landschaften – statt sie preiszugeben. Dies ist die Voraussetzung und eine Garantie für das Funktionieren wichtiger Ökosystemleistungen, wie die Verfügbarkeit von Wasser, Sauerstoff oder Biomasse, der Ernährungs- und Erholungsfunktion und insbesondere für den Klimaschutz aufgrund der CO2-Speicherung“, so Maier.
Naturverträglichkeit bei Wasser- und Windkraft rechtlich absichern
„Verbunden mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen müssen kluge rechtliche und fördertechnische Rahmenvorgaben dafür sorgen, dass der Ausbau der Erneuerbaren naturverträglich erfolgen kann und muss. In den meisten Bundesländern, so auch in Kärnten, ist die Wasserkraft bereits an den Ausbaugrenzen. Die ,Restgewässer‘ in sehr gutem Zustand müssen unbedingt erhalten bleiben, beeinträchtigte Bäche und Flüsse in einen guten Zustand versetzt werden! EAG-Fördermittel sollen in erster Linie auf Modernisierung und Effizienzsteigerung bestehender Anlagen umgelenkt werden – denn durch neue Turbinen kann der Wirkungsgrad von jahrzehntealten Wasserkraftwerken um bis zu 50 % gesteigert und gleichzeitig sogar ökologisiert werden – z. B. sollte die Durchgängigkeit von aquatischen Tierarten hier dauerhaft sichergestellt werden“, betont Erich Auer, Naturschutzreferent des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV), Landesverband Kärnten, und Mitglied des Kärntner Naturschutzbeirates.
Auch bei der Windkraft gilt es, sich auf Repowering zu fokussieren. Vor dem Neubau in bisher unbelasteten Regionen sind bestehende Windenergieanlagen auszubauen und zu modernisieren. „Denn der Bau von Windenergieanlagen wird nicht etwa durch die bloße Behauptung eines Windkraft-Lobbyisten naturverträglich. Im Burgenland wird auch nicht der Bau von Pumpspeicherwerken gefordert, nur weil es dort noch keine gibt. Auch wenn die natürlichen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern natürlich unterschiedlich sind – unverbaute Landschaften stehen jedenfalls überall auf der Roten Liste“, sagt Auer. Deswegen hält er den Ausbau der Windkraft in Kärnten generell für problematisch: „Kärnten ist das einzige Bundesland, das den Schutz der Eigenart und Schönheit der Landschaft in der Verfassung verankert hat. Und in Kärnten sind Windindustrieanlagen windbedingt nur auf Bergspitzen und -graten möglich und dort sind natürlich die Eingriffserheblichkeit, die Umweltauswirkungen und die Veränderung des Landschaftscharakters am größten.“ Ebenso sieht Auer den neuen Trend, Windindustrieanlagen in Skigebieten zu planen, sehr kritisch: „Es ist energiepolitisch fragwürdig, deckt nicht zeitgerecht den Strombedarf des Skigebietes, verstärkt massiv den Eindruck verbauter Landschaft und bringt Probleme mit Eiswurf, Lärm und Lichtverschmutzung mit sich“.
Bezüglich der Kärntner Windkraft-Standorträumeverordnung, die kein Verhinderungsinstrument ist, fordern Maier und Auer von der Kärntner Landesregierung deren Beibehaltung und Nachschärfung, weil sie hinlänglich in der Lage ist, landschaftlich, ökologisch und verfassungsverträgliche Windkraftstandorte herauszufiltern.
Photovoltaik auf verbauten Flächen priorisieren
Photovoltaik hat bei Weitem das größte Ausbaupotenzial für eine naturverträgliche Energiewende und zugleich die größte Akzeptanz in der Bevölkerung. „Entscheidend ist, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen in den Bauordnungen der Bundesländer und im EAG so anzupassen, dass das volle Potenzial von Photovoltaikanlagen auf Dächern und anderen versiegelten Flächen ausgeschöpft werden kann. Das heißt, um weiteren Flächenverbrauch zu vermeiden, sollten die Anlagen auf bereits bebauten Flächen deutlich gegenüber Freiflächen priorisiert werden. Derzeit sind jedoch letztere attraktiver, da sie mit einem nur 25-prozentigen Abschlag gegenüber Auf-Dach-Anlagen finanziell dotiert werden. Freiflächenanlagen sollen in Hinkunft gar nicht mehr gefördert werden. Zudem müssen die Dachflächen zur Gänze genutzt werden und die Dimensionierung der Sonnenkraftwerke darf nicht mehr nur auf den Eigenbedarf abzielen“, so Maier.
Zukünftig sollen Netzkund:innen den Antrag für einen Netzzutritt und -zugang auch online stellen können. Weiters soll der Prozess zur Netzabschlussbeurteilung durch den Netzbetreiber österreichweit standardisiert werden und in Zukunft maximal 14 Tage dauern. Auch Nachweise zur Konformität der PV-Anlage sollen erleichtert werden. Der Umweltdachverband begrüßt diese Entbürokratisierungsschritte, weitere müssen folgen.
Die derzeit gültige Kärntner Photovoltaik-Verordnung sieht der ÖAV als wirksames Mittel gegenüber wirtschaftlichen Begehrlichkeiten, möglichst große PV-Anlagen kostengünstig in die unverbaute Naturlandschaft zu setzen. Der PV-Ausbau von Dachflächen und versiegelten Flächen sollte jedoch durch einen rascheren Netzausbau besser ermöglicht und umgesetzt werden. Wer, wenn nicht das südlichste Bundesland, sollte hier vorangehen? Der Schwerpunkt des Netzausbaus muss aber auf Erdverlegung der Leitungen liegen.
Prioritäten und Forderungen für eine naturverträgliche Energiewende
Für das Spannungsfeld Klima- und Naturschutz existiert mit den skizzierten Eckpunkten einer naturverträglichen Energiewende eine Zielvorstellung, die eine gemeinsame Antwort auf die herrschende Natur- und Klimakrise darstellt. „Um die erforderliche Transformation voranzutreiben, braucht es jedoch weitere Lösungsansätze und insbesondere eine andere Prioritätensetzung punkto Klimaschutz. Denn die naturverträglichste Kilowattstunde ist die, die gar nicht erst benötigt wird. Zugleich ist diese auch die Günstigste“, betont Maier.
Der Umweltdachverband schlägt folgende Ansätze vor:
- Sektorübergreifendes Sofortprogramm für Verbrauchsreduktion und Energieeinsparung
- Effizienzsteigerung bei allen Anlagen und Prozessen
- Abschaffung von kontraproduktiven Anreizen und Förderungen
- Nutzung der bereits verbauten Infrastruktur für einen massiven Ausbau der Photovoltaik
Dringender Appell: Laufende Legislaturperiode nutzen
An der dauerhaften Gewährleistung, den Ausbau der Erneuerbaren nicht gegen die Natur, sondern mit ihr zu vollziehen und natürliche Endausbaugrenzen anzuerkennen, ist die Politik bis dato gescheitert. Maier und Auer fordern daher abschließend: „Ansatzpunkte liegen in einer Energieraumplanung gemeinsam mit den Bundesländern, in gesetzlichen Anpassungen, wie insbesondere im EAG und in den Bauordnungen sowie in der Umgestaltung von Förderungen und Anreizen. Die Ausbaupläne des EAG sollten besser auf die Bedingungen der einzelnen Bundesländer und mit diesen abgestimmt werden. Kärnten kann seinen Beitrag vor allem im Bereich der Wasserkraft – laufend werden Pumpspeicherkraftwerke ausgebaut –, im PV-Ausbau, der Nutzung der Biomasse und der Umsetzung der Einsparpotenziale leisten. Die Prioritäten müssen darin bestehen, bereits erzielte Erfolge, wie die Senkung des CO2-Ausstoßes im Vorjahr, zu verstärken, Förderinstrumente rasch auszubauen und vor allem Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Wärme- und Verkehrsbereich zu setzen. Für die Wärmewende, die Geothermie und die Biogasproduktion braucht es endlich rechtliche Rahmenbedingungen. Versprochen wurden diese bereits vor Monaten.“
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