Umweltdachverband, WWF Österreich und Naturschutzbund appellieren an Landeshauptmann Voves: Wasserkraft - nicht auf Kosten der Natur!
- Klare Grenzen für den Ausbau von Wasserkraft gefordert
- Vorrang für Modernisierung, Ökologisierung und Effizienzsteigerung
- Schutzgebiete und sehr sensible Gewässerstrecken müssen für Kraftwerksprojekte tabu sein
Graz, 12.03.08 (UWD) Der Druck auf unsere Bäche und Flüsse steigt massiv. Im Zuge der Diskussionen und Entwicklungen rund um den Klimawandel nimmt die erneuerbare Energieproduktion weiter an Bedeutung zu. Doch die Wasserkraftausbaupläne gefährden zunehmend die letzten freien heimischen Fließgewässerstrecken und führen in einzelnen Bundesländern zu enormen Konflikten. «Am Offensichtlichsten wird das zurzeit in der Steiermark, wo die artenreichen Murauen südlich von Graz ebenso von Kraftwerksbauten bedroht sind wie erstmals auch ein Natura 2000-Gebiet, die Schwarze Sulm», sagt Mag.a Cornelia Maier, Projektleiterin Wasser im Umweltdachverband. «Wir fordern den Erhalt der letzten freien, naturnahen Fließgewässerstrecken und jenen Gewässerstrecken, die den guten ökologischen Zustand (lt. WRRL) bis 2015 erreichen bzw. erreichen können», so Maier. Eine rasche Erarbeitung eines Masterplans Wasserkraft auf Bundesebene, der alle Interessen bündelt und selbstverständlich auch Naturschutzkriterien einbezieht, mit der entsprechend rechtlich verbindlichen Umsetzung ist auf Grund der aktuellen Entwicklungen in der Steiermark dringend erforderlich.
EU-WRRL darf nicht verwässert werden
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat in diesem Konfliktfeld große Bedeutung, da eine ganzheitliche Umsetzung der WRRL einen sinnvollen Ausgleich zwischen Wasserkraft und Naturschutz schaffen könnte. Die EU-WRRL betrachtet die Bewirtschaftung der Flüsse von ökologischer Seite und gibt vor, dass innerhalb der Europäischen Union bis 2015 ein «guter Zustand“ in allen Gewässern erreicht werden muss. Dazu soll bis 2009 der Erlass eines entsprechenden Maßnahmenprogramms erfolgen. Diese Neuerung ist an sich positiv zu sehen. «Wie die aktuellen Fälle in der Steiermark allerdings zeigen, werden die WRRL und ihre Umsetzung oftmals verwässert. Das so genannte Verschlechterungsverbot der WRRL existiert nur bedingt, da es zahlreiche Ausnahmeregelungen gibt und die WRRL von den Verantwortlichen nicht ernst genug genommen wird», stellt Maier fest. Ein Beispiel dafür ist die Schwarze Sulm, wo jetzt sogar in einem Natura 2000-Gebiet das so genannte öffentliche Interesse als Ausnahmeregelung für einen Kraftwerksbau abgewogen wird.
«Für eine ganzheitliche Umsetzung der WRRL würde es außerdem eine kompetenz- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit in den Bereichen Wasser- und Naturschutz brauchen. Wir fordern daher vom Ministerium und von der steirischen Landesregierung, entsprechende Initiativen zu setzen und einen politischen Konsens aller zuständigen Rechtsbereiche herzustellen», so Maier.
Masterplan Wasserkraft muss Grenzen aufzeigen
„Die Nutzung der Wasserkraft darf nicht auf Kosten der letzten natürlichen und «aturnahen Flüsse und Bäche gehen. Der geplante Masterplan Wasserkraft auf Bundesebene muss deshalb klare Grenzen für den weiteren Ausbau der Wasserkraft in allen Bundesländern aufzeigen. Der vorliegende Vorschlag zu den ökologischen Kriterien eines solchen Plans entspricht definitiv nicht dieser Anforderung», erklärt Maier.
Der Umweltdachverband fordert die Ergänzung folgender Punkte im Masterplan:
- Alle Fließgewässerstrecken in einem «natürlichen» und «naturnahen» Zustand (Strukturgüte 1 und 2) und alle Gewässerstrecken, die den guten ökologischen Zustand bis 2015 erreichen bzw. erreichen können, sollen als „sehr sensibel“ eingestuft werden.
- Alle Fließgewässerstrecken in Schutzgebieten (inklusive der noch nicht bestehenden Schutzgebiete, wie z.B. sog. «potenziell faktische Natura 2000-Gebiete») sollen als «sehr sensibel» ausgewiesen werden.
- Alle «sehr sensiblen» Gewässerstrecken sollen als «Tabuzonen» gegenüber einer zukünftigen Wasserkraftnutzung gelten und in einer Karte dargestellt werden.
Optimierung vor Ausbau und neuen Anlagen
«Wir lehnen Wasserkraft nicht generell ab. Eine intensivierte Nutzungsstrategie sollte jedoch einer nachvollziehbaren Prioritätenreihung folgen», erläutert Maier. Der Umweltdachverband fordert deshalb:
- Energiesparen und Effizienzsteigerung sollen im Masterplan erste und oberste Priorität erhalten und auch so dargestellt werden.
- Modernisierung und Effizienzsteigerung mit einer gleichzeitigen Ökologisierung bestehender Kraftwerksanlagen müssen Vorrang vor Kraftwerksneubauten bekommen (z.B. Limberg II in Kaprun). Wie zahlreiche Beispiele zeigen, sind damit um bis zu 50 Prozent höhere Wirkungsgrade möglich, ohne wertvolle Natur zu zerstören. Im neuen Ökostromgesetz darf es ausschließlich nur mehr für derartige Wasserkraftwerksprojekte Förderungen geben.
- Eine seriöse Abschätzung des tatsächlich vorhandenen Wasserkraft-Potenzials (einerseits durch mögliche Effizienzsteigerungen bestehender Anlagen sowie dem Ausbau-Potenzial der vorhandenen Fließgewässer abzüglich aller Abschnitte, die in Schutzgebieten und sonstigen Tabuzonen wie Klammen, Schluchten, Siedlungsgebieten etc. liegen) ist notwendig.
- Dazu müssen im Masterplan Wasserkraft alle Schutzgebiete als Tabuzonen ausgewiesen werden (Nationalparks, Natura 2000-Gebiete, Ramsar-Gebiete, UNESCO-Biosphärenparks, Welterbegebiete, Naturparks, Ruhegebiete, Gletscher etc.).
- Erst in Folge soll es gegebenenfalls zu Ergänzungen bestehender Kraftwerksparks oder -ketten kommen. Das heißt: Vor neuen Kraftwerksstandorten (und Verbauung neuer Täler oder Fließgewässerabschnitte) sollen bereits intensiv energiewirtschaftlich genutzte Täler oder Geländekammern weiter ausgebaut werden.
«Bis zum Vorliegen eines auch von Seite des Natur- und Gewässerschutzes und der NGOs akzeptierten Masterplans Wasserkraft fordert der Umweltdachverband ein Moratorium. Erst dann soll über neue Kraftwerksstandorte diskutiert werden - unter Einbindung des Naturschutzes», so Maier abschließend.
«Opfern wir nicht unsere freien Fließgewässerlebensräume weiteren Wasserkraftwerksdämmen! PRO FREIE FLIESSGEWÄSSER KONTRA WASSERKRAFTWERKSDÄMME», fordert DI Markus Ehrenpaar, Geschäftsführer des Naturschutzbund Steiermark.
«Dutzende Wasserkraftwerksprojekte bedrohen viele wertvolle Fließgewässerlebensräume in der Steiermark. Die Erhaltung dieser Gewässerökosysteme muss oberste Priorität haben,» so DI Arno Mohl, WWF Österreich.
«Es ist unsere Pflicht, die Rechte kommender Generationen von Menschen zu schützen, ebenso wie die Rechte aller Tier- und Pflanzenarten. Angesichts der lokalen und globalen Naturzerstörung dürfen wir nichts Geringeres von unseren Politikern verlangen – und von uns selbst», sagt Dr. Thomas Seiler, Umweltethiker, Naturschutzbund Steiermark, Bad Mitterndorf.