Massive Kritik an Gasbohrungsplänen in der Nationalpark Kalkalpen-Region: Stopp des naturzerstörenden Projekts gefordert!

Linz, 04.10.2023 (UWD) Das offene naturschutzrechtliche Verfahren zur möglichen Bewilligung einer Gasbohrung am Naturschutzgebiet Jaidhaus im Vorfeld des Nationalparks Kalkalpen in Molln geht in die entscheidende Phase: Mit einem Weckruf an Politik und Öffentlichkeit meldet sich nun der Wissenschafter des Jahres und Biodiversitätsexperte, Prof. Franz Essl von der Universität Wien, in Form einer Bewertung der naturschutzfachlichen und energiepolitischen Folgen der geplanten Gasbohrung zu Wort. Essl kennt das Jaidhausgebiet aufgrund jahrelanger Forschungstätigkeit sehr genau und warnt vor dessen Zerstörung: „Die unterschiedlichen ungedüngten Wiesentypen des Naturschutzgebietes Jaidhaus haben überragenden Naturschutzwert und sind in Oberösterreich in Qualität und Flächenausdehnung einzigartig“, betont Essl. Zusammenfassend hält Essl in seiner direkt an das Land Oberösterreich ergangenen Stellungnahme fest, „dass die Errichtung einer Gasbohrinfrastruktur im direkten Nahbereich des Schutzgebietes Jaidhaus unvermeidbare negative Auswirkungen auf hochgefährdete Arten und Lebensräume sowie auf das Landschaftsbild hätte. Diese Auswirkungen konterkarieren die Zielsetzungen der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und der EU-Biodiversitätsziele, zu deren Erreichung sich Österreich verbindlich verpflichtet hat.“

Naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig
Im Rahmen des laufenden naturschutzrechtlichen Verfahrens hat auch der Umweltdachverband eine Stellungnahme zum Gutachten des Amtssachverständigen abgegeben, die zu folgendem Schluss kommt: „Der Umweltdachverband geht aufgrund der gutachterlich festgestellten wesentlichen Beeinträchtigung des Naturhaushaltes, der wesentlichen Beeinträchtigung des Erholungswertes und der erheblichen und wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzgutes ,Landschaftsbild‘ von einer Versagung der Probebohrung an der beantragten Örtlichkeit im Jaidhaustal im Rahmen des naturschutzrechtlichen Verfahrens aus.“

Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes, hält dazu fest: „Sowohl das vorliegende Amtsgutachten als auch aktuelle Artenfunde von Fledermäusen und einer Reihe weiterer bisher unbekannter höchstrangiger Arten zeigen, dass jedenfalls zusätzliche fachliche Erhebungen sowie ein EU-rechtskonformes Verfahren entsprechend der FFH-Richtlinie erforderlich sind.“

Eklatanter Widerspruch zur Alpenkonvention
Darüber hinaus steht das beantragte Gasbohrungsprojekt in eklatantem Widerspruch zur Alpenkonvention, was zwingend zu einer Versagung der Bewilligung führen muss. Artikel 11 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ der Alpenkonvention verpflichtet dazu, die „Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzweckes zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen und darüber hinaus alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden“. Bereits nicht wesentliche Beeinträchtigungen des Schutzzweckes können eine Verletzung dieser Bestimmung darstellen. „Eine Bohrtätigkeit in unmittelbarer Nähe zu zwei hochrangigen Schutzgebieten (Jaidhaus und Nationalpark Kalkalpen) verletzt die Schutzverantwortung und -pflicht, die den Schutzgebieten gemäß den Bestimmungen der Alpenkonvention zukommen muss. Generell sollte in der Nationalparkregion das öffentliche Interesse am Naturschutz einen besonderen Stellenwert haben. Die Bewilligung der Probebohrung im Jaidhausgebiet würde die zu bewahrende naturnahe Nationalpark-Pufferzone in eine industriell genutzte Rohstoffabbaustätte verwandeln – das wäre mehr als ein Schandfleck für die Region“, so Maier.

Sachverhaltsdarstellung zeigt 25 drohende Bohrplätze in gesamter Region
Anhand einer Sachverhaltsdarstellung und Chronologie aus internen und öffentlichen Quellen weist die Bürger:inneninitiative (BI) Pro Natur Steyrtal nach, dass in der gesamten Steyrtal- und Nationalpark Kalkalpen-Region insgesamt rund 25 Bohrplätze drohen. Christian Hatzenbichler, Sprecher der BI Pro Natur Steyrtal und Obmann des Vereins Bergwiesn: „Es geht nicht nur um die derzeit eingereichte Bohrung am Naturschutzgebiet Jaidhaus in Molln, sondern um bis zu 25 weitere Eingriffe! Die Erkenntnisse aus der Auswertung von Quellen der Betreibergesellschaft ADX zeigen, dass anders als bisher in der Öffentlichkeit zugestanden, mit einem massiv ausgeweiteten Bohrgeschehen im Laufe mehrerer Jahre bzw. des nächsten Jahrzehnts zu rechnen ist. So sind entsprechend der angeführten Kartendarstellungen nicht nur in Molln weitere Probebohrungen geplant, sondern vermutlich in insgesamt vier Gemeinden der Nationalpark Kalkalpen-Region: Molln, Grünburg, Waldneukirchen und St. Pankraz. Damit steht eine Gesamtanzahl von 25 Bohrtürmen in der Steyrtal- und Nationalpark Kalkalpen-Region im Raum. Eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität und eine vollkommene Entwertung der Nationalpark-Idee wären die unausweichlichen Konsequenzen.“

Mit der vorliegenden Sachverhaltsdarstellung ist die drohende Anzahl und Verortung der bevorstehenden Probebohrungen schwarz auf weiß belegt. Sollte seitens ADX die am 7.9.2023 öffentlich getätigte Unterstellung an die Bürgerinitiative, diesbezüglich „Fake-News“ verbreitet zu haben, wiederholt werden, behält sich die BI Pro Natur Steyrtal weitere Schritte vor. Die fortgesetzte Intransparenz und Desinformationspolitik seitens der Betreiber-Firma ADX ist inakzeptabel, wird schärfstens zurückgewiesen und muss zu Konsequenzen seitens der politisch Verantwortlichen führen.

Erdbebengefahr kann Risiko für die Stabilität von Explorationsbohrungen darstellen
Auf welch fachlich tönernen Beinen die möglichen Gasbohrungen stehen, zeigen darüber hinaus auch Informationen zu einem von der FFG geförderten Forschungsprojekt von ADX, welches gemeinsam mit der Universität Wien von Jänner 2024 bis Juni 2026 durchgeführt werden soll (https://projekte.ffg.at/projekt/4814758/pdf). Demnach sind alle bisherigen Positivmeldungen zur geologischen Situation, zum behaupteten Volumen einer oder mehrerer Gaslagerstätten sowie insbesondere zur nicht vorhandenen Erdbebengefahr offenbar spekulativer Natur. Auf der Webseite der FFG steht in der Projektbeschreibung „[…] Bis jetzt wurde das Zielgebiet nicht flächendeckend nach neuesten Methoden der modernen Strukturgeologie erschlossen. Daher ist die räumliche Verteilung und Zerlegung potentieller[sic] Lagerstättenstrukturen nicht nachvollziehbar […]“ „Wie kommt dann ADX dazu, derartige Zahlen zu verwenden, mit denen nun seit über einem Jahr das Projekt hochgejubelt und Politik, Medien und die Öffentlichkeit offenbar an der Nase herumgeführt werden?“, fragt Hatzenbichler. Ebenso brisant ist folgender Absatz „[…] Darüber hinaus besteht nahe des[sic] Zielgebiet eine Tendenz zu aktiver Tektonik, was ein Risiko für die Stabilität von Explorationsbohrungen in den NKA [Nördliche Kalkalpen] darstellen könnte.“ Wie kann es aufgrund dieser Ausgangslage überhaupt zu ernstzunehmenden Bohrtätigkeiten kommen, noch bevor dieses offensichtlich nicht unwesentliche Forschungsprojekt erst begonnen hat, geschweige denn abgeschlossen wurde? „Die Spekulationstätigkeit und das rücksichtslose Vorgehen der australischen Börsenfirma ADX in den oberösterreichischen Kalkalpen muss endlich gestoppt werden. Und zwar durch die Politik“, so Maier und Hatzenbichler abschließend.


Rückfragehinweise:
Franz Essl: 0676/6091638; Christian Hatzenbichler: 0650/4574885; Franz Maier: 0664/4242756.

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