Umweltsünden in Oberösterreich: Umweltallianz präsentiert Aktionsplan für dringend erforderlichen Neustart!

  • Umweltanwaltschaft, Umweltdachverband und Alpinvereine legen Aktionsplan für Oberösterreich vor und verlangen Neustart punkto Energie-, Tourismus-, Naturschutz- und Raumordnungspolitik

Linz, 25.01.24. Das Land Oberösterreich hat in den vergangenen Monaten mehrere rechtlich problematische sowie eklatant naturzerstörerische Projekte genehmigt – das aktuelle Umwelt-Sündenregister ist länger als in jedem anderen Bundesland. Mehrere dieser umstrittenen Projekte wurden inzwischen gerichtlich wegen Rechtswidrigkeit gestoppt, oder von Prüfinstanzen wie dem Bundes- oder Landesrechnungshof schwer gerügt. Daher verlangen Umweltanwaltschaft, Umweltdachverband und Alpinvereine eine Revision der Energie-, Tourismus-, Raumordnungs- und Naturschutzpolitik und legen einen Aktionsplan für einen dringend erforderlichen Neustart vor.

Das Umwelt-Sündenregister Oberösterreichs

  1. Wirkungslose Raumordnung und zahnloser Naturschutz: Beispiele Campingplatz in Hinterstoder, Hotelwidmung in Ulrichsberg, Hotel-Umwidmung zu Zweitwohnsitzen in Hinterstoder
  2. Kein politisches Bewusstsein für Bodenschutz: Widerstand Oberösterreichs gegen nationale Bodenstrategie, Vorkommnisse in Ohlsdorf
  3. Blockade von Energiewende und Netzausbau: Boom um Photovoltaik-Anlagen verschlafen, Stopp für Netzeinspeisung in sieben OÖ Regionen wegen fehlender Kapazitäten
  4. Rückwärtsgewandte Wintertourismus-Politik: Enormer Ausbau der Wurzeralm im bestehenden Naturschutzgebiet, die Förderquote liegt bei 60 %
  5. Förderung fossiler Energien: Naturschutzrechtliche Genehmigung der Gasbohrung in einem der höchstwertigen Naturgebiete Österreichs
  6. Kein politisches Bewusstsein für Energieeffizienz: Aktivitäten, Projekte oder Förderungen zum Energiesparen verschlafen, zeitgemäße Mobilitätskonzepte für den Tourismus- und Freizeitverkehr fehlen
  7. Schwächelnder Landschaftsschutz: Bedenkliche Hotel- und Chaletprojekte: Beispiele Wolfgangsee, Hallstättersee, Dachstein, Hinterstoder, Offensee, Langbathsee

Aktionsplan für den Neustart

So kann es nicht weitergehen. Die rückwärtsgewandte Energie-, Tourismus-, Raumordnungs- und Naturschutzpolitik konterkariert nicht nur wichtige nationale Klimaschutz-Maßnahmen, wie die Bodenschutzstrategie oder das Klimaschutzgesetz, sondern auch die Landesziele zur Erreichung der Energiewende, wie das Ziel der Klimaneutralität bis 2040, oder die gesetzlichen Vorgaben durch das Nationalpark-Gesetz.

Umweltanwaltschaft, Umweltdachverband und Alpinvereine legen daher folgenden Aktionsplan für eine Neuausrichtung zentraler Politikbereiche in Richtung ökologischer Transformation und Dekarbonisierung vor:

Naturschutz, der seinen Namen verdient
„Es muss Schluss sein mit dem Scheinnaturschutz in Oberösterreich. Wenn in Schutzgebieten der Skitourismus Vorrang hat, verdient der Naturschutz seinen Namen nicht mehr. Darüber hinaus ist es auch Aufgabe der Landespolitik, EU-Naturschutz-Richtlinien auch beim Artenschutz rechtskonform anzuwenden und die rechtsverbindliche Alpenkonvention umzusetzen. Landschaftsschutz ist kein Luxus. Der Naturschutz muss in OÖ wieder mehr Biss bekommen“, so der OÖ Umweltanwalt Martin Donat.

  • Schluss mit Scheinnaturschutz: Schutzgebiete müssen schützen (Negativ-Beispiel Wurzeralm)
  • Rechtskonforme Anwendung der EU-Naturschutz-Richtlinien in Verfahren, Kompensationsmaßnahmen im Artenschutz auch im Rahmen von Bauprojekten (vgl. AAD – Animal-Aided Design)
  • Potenziale eines naturverträglicheren Bauens heben (Ökologie auf Betriebsflächen)
  • Umsetzung der rechtsverbindlichen Alpenkonvention
  • Naturschutz muss auch für Forstwirtschaft und Jagd umgesetzt werden:
    • Kein Forststraßenbau in Naturschutzgebieten
    • Naturwaldzellen als Ausgleich für neue Forstwege
    • Ökologische Mindeststandards für den Forstwegebau (Wasser-Retentionsbereiche, landschaftsverträglicherer Bau, Maßnahmen zur Förderung des Bodenverbunds)
    • Keine Waldrodungen für PV-Projekte
    • Grünvorlage im gesamten Rotwildgebiet
    • Radikalreduktion des Schalenwilds auf waldgerechte Bestandszahlen und Phasing-out von Wildfütterungen
  • Schutz der Nachtlandschaften durch zeitgemäße Beleuchtung
  • Landschaftsgerechtes Bauen, erhöhte Wohnbauförderung für Holzbau ab dem 2. Obergeschoß, landschaftsbezogene Bebauungspläne, auch für Gewerbebauten (es kann traditionsbezogen und doch modern sein und muss nicht jodeln)
  • Landschaftsschutz bei großvolumigen Bauten nicht unter den wirtschaftlichen Tisch fallen lassen

Schutzgebietsverbund mit Nationalpark Gesäuse und Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal sowie Erweiterung Nationalpark Kalkalpen
„27 Jahre nach Gründung des Nationalparks Kalkalpen ist es heute dringlicher denn je, die gesetzlich festgelegte Erweiterung des Nationalparks um das Gebiet der Haller Mauern, das Warscheneck und um das Tote Gebirge endlich umzusetzen. Gerade in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise ist die Stärkung des Schutzgebietsverbundes mit dem Nationalpark Gesäuse und dem Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal enorm wichtig“, sagt Herbert Jungwirth, Naturschutzreferent im Alpenverein OÖ und Mitglied im Nationalpark-Kuratorium.

  • Stopp sämtlicher naturzerstörender Infrastrukturpläne im gesetzlich festgelegten Erweiterungsgebiet des Nationalparks Kalkalpen
  • Zwischenschritte durch Sicherung von Trittsteinbiotopen und Stärkung des Schutzgebietsverbundes mit Nationalpark Gesäuse und Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal
  • Schrittweise Erweiterung des Nationalparks mit Schwerpunkt Haller Mauern und Warscheneckgebiet sowie in weiterer Folge im Toten Gebirge, entsprechend den gesetzlichen Zielformulierungen
  • Sicherung von hochwertigen Naturschutzflächen im Erweiterungsgebiet des Nationalparks. Klares Bekenntnis zur Alpenkonvention und verbindliche Verankerung in der Raumordnung
  • Ausreichende finanzielle Ausstattung für den Nationalpark Kalkalpen und somit Sicherung der Umsetzung der Managementpläne und der Erweiterungsschritte

Naturverträgliche Energiewende
„Auch in Sachen Energiepolitik schrillen die Alarmglocken: Die Energiefrage ist eine zentrale standortpolitische Frage. Die rückwärtsgewandte Energiepolitik in Oberösterreich, die fossile Energie aktiv fördert, den Netzausbau bis dato blockiert und kein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Energieeffizienz entwickelt hat, verhindert die notwendige naturverträgliche Energiewende. Wir fordern den sofortigen Stopp sämtlicher Gasbohrungspläne in der Nationalpark-Region, den raschen Ausbau der Photovoltaik und ein breitgefächertes Energiespar- und Effizienzprogramm“, betont Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.

  • Sofortiger Stopp sämtlicher Gasbohrungsaktivitäten in der Nationalpark Kalkalpen-Region
  • Sofortprogramm zur Schaffung von neuen Kapazitäten für die Einspeisung von PV-Strom (Netz und Speicher), Aufhebung des Einspeisestopps in allen sieben Regionen Oberösterreichs bis spätestens Ende 2024
  • Investition der Rekordgewinne der Energie AG in den PV-Ausbau und das Repowering bestehender Wasserkraftwerke
  • Durchsetzung örtlicher Klima- und Energiepläne bestehend aus
    • Wärmeversorgungs- und Wärmeentsorgungsplan (zum Beispiel für überschüssige Wärme aus Betrieben, etc.),
    • Stromversorgungs- und Stromabnahmeplan (für Überschussstrom) sowie einem
    • Mobilitätsplan für das gesamte Gemeindegebiet
  • Umsetzung eines Energiespar- und Effizienzprogrammes für Wirtschaft, Handel, öffentliche Hand und Haushalte: Aktivitäten, Projekte oder Förderungen zum Energiesparen und zur Steigerung der Energieeffizienz
  • Konsequente Priorisierung der PV-Nutzung auf verbauten Flächen (Dächer, Gewerbe- und Industriegebiete, öffentliche Gebäude, Parkplätze, Deponien etc.) und nicht auf Grünlandflächen und im Wald
  • Neuer Standard beim Leitungsbau
  • Entwicklung eines Renaturierungsprogrammes insbesondere für Moore, Feuchtgebiete und Wälder zur CO2-Speicherung (24 % der CO2-Emissionen stammen weltweit aus degradierten oder zerstörten Böden und Ökosystemen)
  • Repowering vor Neubau bei Wind- und Wasserkraft
  • Zeitgemäße Mobilitätskonzepte: Ausbau des Schienennetzes (Ischlerbahn), Taktung der Schienen- und Bus-Hauptrouten und Schaffung von Mobilitätsknoten an diesen Infrastrukturachsen (Verknüpfung mit regionalen Bussen, Seilbahnen, Carsharing, E-Bike-Sharing)

Tourismus im Einklang mit der Natur – nicht gegen sie!
„Angesichts der Klima- und Naturkrise sind die Endausbaugrenzen des technisierten Skitourismus längst erreicht. Wir verlangen eine Umorientierung hin zu einem zukunftsfähigen Ganzjahrestourismus, der ohne Naturzerstörung auskommt. Wir brauchen eine neue Kultur des Tourismus, die sich auf die natürlichen Qualitäten des Alpenraums bezieht. Gerade die Pyhrn-Priel-Region verzaubert mit ihrer landschaftlichen Vielfalt. Diese gilt es – durch eine sanfte Entwicklung des Tourismus mit Rücksichtnahme auf die Natur – zu erhalten“, erklärt Christian Dornauer, Landesgeschäftsführer der Naturfreunde OÖ.

  • Schluss mit Großmannssucht und Fokussierung auf technische Infrastruktur im Wintertourismus
  • Natur- und Landschaftsnutzung muss beim Ganzjahrestourismus mitgedacht werden
  • Wurzeralm: Ja zur maßvollen Erneuerung des Frauenkarliftes, jedoch nicht im Naturschutzgebiet; kein zusätzliches Bergrestaurant auf 2.000 m Seehöhe; kein Pistenbau in Feucht- und Rutschbereichen, keine Talstation in einem Feuchtgebiet, Positionierung der Wurzeralm als Skitourenzentrum und Familienskigebiet; Fokus auf sanfte Angebote wie Wandern, Skitouren- und Schneeschuhgehen inkl. Errichtung von Parkplätzen, wie
    B. am Pyhrnpass
  • Aktion „Freier Seezugang für freie Bürger:innen“ – Schaffung neuer öffentlicher Seezugangsflächen
  • Keine neuen Hotelbauten direkt am See, keine Privatisierung öffentlich zugänglicher Seeuferflächen, Floating piers dort, wo der öffentliche Seezugang privatisiert und die Öffentlichkeit ausgesperrt wurde (z. B. St. Wolfgang)
  • Zeitgemäße Mobilitätskonzepte und Ausbau der ÖPNV-Angebote: Täler- und Wanderbusse, Ski-Züge und -Busse, Kombi-Angebote für Radfahrer:innen, Carsharing, Verknüpfung mit Seilbahnen – Negativbeispiel Parkraumbewirtschaftung statt Besucher:innenlenkungskonzept Pyhrn-Priel-Region
  • Schaffung autofreier Ortszentren und Täler, Ausbau von Mikro-ÖV-Systemen im ländlichen Raum, wo ein getakteter öffentlicher Verkehr nicht wirtschaftlich darstellbar ist
  • Mindeststandards für Infrastrukturknotenpunkte (z. B. Bahnhöfe, Bus-Knotenpunkte, Sammelparkplätze): WC, Trinkwasser, WLAN, Stromanschluss für Handy, E-Bike, E-Auto-Ladestation
  • Fokus auf die Bereiche Natur, Landschaft, Wasser, Kulinarik, Kultur, Wandern, Radfahren, Bergsteigen, Skitouren
  • AUS für das Geschäftsmodell „Beantrage Hotel, verkaufe Zweitwohnsitze, zerstöre Orts- und Naturgefüge“. Baurechtsverträge, die öffentlichen Interessen schützen und nicht nur einzelnen Glücksrittern nützen
  • Keine Chalet-Dörfer im Alpinraum (z. B. Offensee, Langbathsee, Hallstättersee, Feuerkogel)
  • Rückwidmung deplatzierter Tourismus-Sondergebietsflächen (DAG-Flächen am Dachstein, Offensee, Langbathsee, Hutterer Böden, Campingplatz Hinterstoder)

Neue Raumordnung- und Bodenpolitik
„Der sorgsame Umgang mit Grund und Boden ist gerade in Zeiten des Klimawandels und der Extremwetterereignisse essenziell und eine zentrale Aufgabe für die politisch Verantwortlichen. Der Widerstand Oberösterreichs gegen die nationale Bodenstrategie und eigene verbindliche Ziele ist unverantwortbar. Das Netto-Null-Ziel muss bis zum Jahr 2030 verbindlich verankert werden. Das heißt, dass zu diesem Zeitpunkt weiterer Flächenverbrauch nur dann möglich ist, wenn gleichzeitig Flächen im selben Ausmaß renaturiert und entsiegelt werden. Wasser in der Fläche zurückhalten, belebte Oberflächen schaffen und erhalten! Vom Schönreden ins Tun Kommen! Nur rechtliche Verbindlichkeit kann den Flächenfraß stoppen“, erläutert Donat.

  • Verankerung des „Netto-Null-Ziels“ beim Bodenverbrauch bis 2030 (weiterer Flächenverbrauch nur dann, wenn gleichzeitig Flächen im selben Ausmaß renaturiert und entsiegelt werden), extensive Gründächer (mit PV) auf allen großvolumigen Bauten (Hallen, Einkaufszentren, Freizeitanlagern, Schulen, etc.)
  • Maximalen Versiegelungsgrad bzw. Mindest-Grünflächenanteil für bebaute Flächen festlegen
  • Rückhalt von Regenabflusswasser in Siedlungen und auf Freiflächen; Regen-Sturzfluten und Austrocknen der Landschaft durch Regenretention in der Fläche mindern/verhindern
  • (Extensive) Gründächer mit PV-Nutzung im Gewerbebereich als Standard
  • Ausweisung von Beschleunigungsgebieten und No-Go-Areas für den Ausbau der Erneuerbaren (Umsetzung der Erneuerbaren Energie-Richtlinie RED III)
  • Wildökologische Raumplanung und Naturlebensraum-Verbund
  • Stärkung der Umweltanwaltschaft und Umsetzung der Aarhus-Konvention
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